Newsletter 20.09.2019: Gutachten entschlüsselt Wohnungsmarkt

Fabian Eickstädt • 20. September 2019


Guten Abend,

erinnern Sie sich noch, welches politisches Thema zu Beginn des Jahres die öffentliche Wahrnehmung zunächst in Deutschland, dann auch in Mönchengladbach dominierte? Dem Klimanotstand voraus ging der Wohnungsnotstand. Beinahe über Nacht schien sich auch unsere Stadt im Frühjahr an der über Wochen breit medial aufgegriffenen Wohnungsnot von Metropolen wie Köln, Berlin, München oder Hamburg angesteckt zu haben. Unter der Schlagzeile "Wohnen als Armutsrisiko?" konstatierte die Rheinische Post Ende Mai als Ergebnis ihrer Analyse: "Gladbach hat ein Wohnungsproblem." Mitte Juni titelte sie in einem weiteren Aufmacher , wenngleich differenzierter: "Mönchengladbach hat ein Wohnungsproblem – obwohl es genug Wohnungen gibt".


Ebenfalls die Opposition aus Grünen und Linken griff dankbar die bundespolitische Diskussion in den Sitzungen des Stadtrates im ersten Quartal auf. Die Linke erlag dabei prompt der ihr eigenen Nostalgie und begab sich auf archäologischen Feldzug durch das Baugesetzbuch:

"In Mönchengladbach herrscht ein Mangel an günstigem Wohnraum, das scheinen mittlerweile auch Teile der Groko so zu sehen. Eine Möglichkeit, sofort bundesweit als auch lokal etwas gegen den Wohnraummangel zu tun bietet das Baugebot nach § 176 im Baugesetzbuch. ,Wir müssen dieses Werkzeug nur nutzen', sagt der Fraktionsvorsitzende Torben Schultz. ,So können wir effektiv die Spekulation mit Grund und Boden eindämmen, Baulücken schließen und Wohnraum schaffen. Erst bei Nichtbeachtung drohen Sanktionen, die dann ganz am Ende auch Enteignung heißen können.'"

Die Grünen wiederum forderten per politischem Antrag, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften bei Wohnungsneubauten in Mönchengladbach künftig ausschließlich nur noch geförderte und preisgedämpfte Wohnungen errichten sollten. In der begleitenden Pressemitteilung heißt es:

"Wie Karl Sasserath betont, ist es dringlich, möglichst viele Mieter möglichst schnell mit bezahlbaren Wohnungen zu versorgen. ,Da haben CDU und SPD in den vergangenen Jahren so gut wie nichts für all diejenigen getan, die sich keine Penthouse-Wohnungen leisten können', sagt der Grünen-Politiker ... 'Es muss bald etwas geschehen, denn der Markt wird die Probleme auf dem Wohnungsmarkt mit Sicherheit nicht lösen', stellt der Grünen-Fraktionschef fest."

Bemerkenswert bei alledem: Bis auf eine statistische Grob-Analyse der NRW-Bank lagen weder Opposition, noch Medien, noch selbst der Verwaltung zu diesem Zeitpunkt aktuelle, aussagekräftige und verlässliche Zahlen über den Wohnungsmarkt in der Stadt vor - erst recht nicht solche, die die vereinzelten Veröffentlichungen mit nur sehr eingeschränktem Blickfeld (etwa den Immobilienmarktbericht oder Angaben des statistischen Landesamtes) in Verhältnis zueinander setzten.


Neben dem Wohnungsmarktprofil der NRW-Bank stützte sich beispielsweise die Rheinische Post bei ihrer Berichterstattung im Mai unter anderem auf eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung anlässlich der DGB-Aktionswoche „Bezahlbar ist die halbe Miete“, deren "Berechnung" die RP selbst gleichzeitig als "nur schwer zu verifizieren" und den Veröffentlichungszeitpunkt zur Aktionswoche als "sicher nicht zufällig" bezeichnet. Gleichwohl wird der Gewerkschaftsbund an prominenter Stelle mit der Aussage zitiert, es fehlten 16.049 (!) bezahlbare Wohnungen in der Stadt. Ein Versuch, die - aufgrund ihrer Quelle bereits als zumindest fragwürdig erkannten - Angaben zu widerlegen, findet im Fortgang des Artikels nicht statt. Die Opposition im Rat scheute erwartungsgemäß durchgängig eine Gegenargumente wägende, faktenbasierte Debatte .


Bereits zu jenem Zeitpunkt hätte allerdings schon ein Blick in das statistische Handbuch der Stadt für die Jahre 2013 bis 2017 ausgereicht, um zumindest Zweifel am Narrativ eines sozialen Wohnungsnotstandes in Mönchengladbach zu wecken: Die Menge der (bei der Stadt registrierten) wohnungssuchenden Haushalte sank während dieser Jahre in absoluten Zahlen von 2020 auf 1722 und damit um fast 15 Prozent. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich nach wie vor Haushalte in Mönchengladbach auf dem freien Markt mit günstigem Wohnraum versorgen können. Dieser Fund stand freilich quer zur bundespolitischen Erregung in jenen Tagen.



Wie es fernab der Interpretationen und Annahmen tatsächlich um den Mönchengladbacher Wohnungsmarkt bestellt ist, zeigt der jetzt vorliegende Wohnungsmarktbericht der Stadt. Er beruht auf einem fast 100 Seiten starken Gutachten der empirica AG , das diese Woche erstmals im Planungs- und Bauausschuss beraten worden ist. Die wichtigsten Erkenntnisse der Analyse:

  • Mönchengladbach verliert nach wie vor Einwohner durch ein wachsendes Geburtendefizit und zusätzlich durch die Abwanderung von Familien ins Umland. Als Hochschulstandort gewinnt die Stadt aber gleichzeitig durch die Zuwanderung junger Erwachsener (18- bis 30-Jährige). Nicht zuletzt durch die gute Arbeitsmarktentwicklung und das moderate Mietpreisniveau zieht Mönchengladbach verstärkt junge Zuwanderer aus dem (europäischen) Ausland an, dies auch bereits vor den starken Zuzügen aus Flüchtlingsländern. Seit 2012 ist die Zuwanderung sogar erstmals wieder hoch genug, um in Mönchengladbach ein Wachstum der Bevölkerung zu erreichen.
  • Trotz Anstiegs sind die Mieten und Kaufpreise in Mönchengladbach im Vergleich zu Düsseldorf, Köln und der Stadt Korschenbroich nach wie vor relativ niedrig. "Für Niedrigeinkommensbezieher und Transferleistungsbezieher ist es möglich, einfachen Wohnraum in Mönchengladbach zu finden." (empirica ag)
  • Mönchengladbach hat mit in etwa 27 öffentlich geförderten Wohnungen pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern den höchsten Anteil geförderter Wohnungen pro Kopf in der Region. Dementsprechend weist die Stadt mit 5,4 % im regionalen Vergleich auch einen überdurchschnittlich hohen Anteil geförderter Wohnungen am Gesamtbestand auf. Dies übertrifft gleichzeitig den Landesdurchschnitt in NRW.
  • Der Wohnungsmarkt in Mönchengladbach hat kein grundsätzliches Mengenproblem, sondern aufgrund unterbliebener Modernisierung vor allem ein Qualitätsproblem. Die Bausubstanz ist lt. Gutachter insgesamt relativ alt und nur wenige Wohnungen sind aufgrund ihrer Ausstattungsmerkmale als hochwertig zu bezeichnen. Der Anteil an gehobenen und hochwertigen Mietwohnungen im Bestand ist geringer ausgeprägt als im Umland und der Region.
  • Mit Blick auf auf die prognostizierte Nachfrage konstatieren die Experten: "Ob demografisch bedingt ein Neubau von über 300 Wohneinheiten pro Jahr erforderlich ist, oder ob es bereits genug Wohnungen gibt und viele von ihnen ... dauerhaft leerfallen, ist derzeitig noch nicht absehbar. Allerdings kann die Entwicklung durch eine zielgruppenadäquate Qualität der Wohnangebote beeinflusst werden. Das Thema ,Wachstum' sollte in Mönchengladbach (insbes. mit Blick auf ein passendes Angebot für Familien und Senioren; Anm. d. Verf.) vor allem qualitativ gedacht werden." Bezüglich des Maximalszenarios von einem Neubaubedarf von bis zu 6000 Wohnungen bis zum Jahr 2038 bemerkt das Gutachten: "Baufertigstellungen in dieser Höhe sind für Mönchengladbach allerdings nichts Ungewöhnliches, sondern entsprechen etwa dem Bauvolumen der letzten 15 Jahre. Die mit diesem Szenario verbundene Bauleistung scheint also machbar."
  • Um die Nachteile der "Schrumpfungsszenarien" (Leerstand, Alterung der Bevölkerung insb. durch weitere Familien- und Seniorenabwanderung) zu vermeiden, sollte aus Sicht der Gutachter im Einklang mit der Stadentwicklungsstrategie mg+ Wachsende Stadt ein sog. "normatives Szenario" gewählt werden, das mit dem Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Mehrfamilienhäusern eine Familien- und Seniorenoffensive als politische Leitlinie verfolgt.
  • Schließlich: Vor dem Hintergrund der festgestellten Preissteigerungen - so Gutachter und Stadt - sei die Mietpreisentwicklung im öffentlich geförderten sowie im unteren Drittel des freifinanzierten Marktes weiterhin zu beobachten. Die wachsende Schere zwischen den verfügbaren Haushaltseinkommen in Mönchengladbach zeige darüber hinaus, "dass im Sinne einer guten Durchmischung und eines guten stadtgesellschaftlichen Zusammenhalts die Stärkung der sozi-ökonomischen Mitte auch über Wohnungsangebote ein Ziel sein sollte". Aufgrund des Rückgangs des öffentlich geforderten Mietwohnungsbestandes müsse "auch in den öffentlich geförderten Wohnungsbau investiert werden ..., wobei der bestehende öffentlich geförderte Wohnungsbestand ein deutliches Qualitätsdefizit aufweist, das es neben dem Neubau zu bearbeiten gilt". Dass hier gerade auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Zukunft stärker in die Pflicht zu nehmen sind, dürfte einhellige Meinung des Mönchengladbacher Stadtrates sein.



Von einer dramatischen Notlage am Mönchengladbacher Wohnungsmarkt kann angesichts der aktuellen Daten offenbar keine Rede sein. Was allerdings ebenfalls nicht zu bestreiten ist: Vor Politik und Verwaltung liegen hier gewaltige Aufgaben in den kommenden Jahren und Jahrzehnten, gerade mit Blick auf veränderte Lebenswelten und die demografische Entwicklung der Stadt. Wohnungsmarktbericht und empirica-Gutachten, die beide über weite Strecken für Analysewerke überraschend spannend zu lesen sind, werden hoffentlich dazu beitragen, den politischen Wettbewerb um den richtigen Weg für unsere Heimatstadt - gerade während der bevorstehenden Wahlkampfzeit - auf sachliche Füße zu stellen.

Ich wünsche Ihnen einen zuversichtlichen Start in das Wochenende. Es grüßt Sie herzlich Ihr

Fabian Eickstädt
Geschäftsführer
CDU-Ratsfraktion Mönchengladbach

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Der Rat der Stadt Mönchengladbach hat in seiner Sitzung am Montag auf Antrag der CDU-Fraktion mehrheitlich beschlossen, dass die Verwaltung eine kommunale Regelung zum Verbot des Verkaufs sowie der Abgabe und Weitergabe von Lachgas an Minderjährige prüfen soll. Die CDU begrüßt die Zustimmung der anderen Fraktionen zu diesem wichtigen Schritt für den Gesundheitsschutz von Jugendlichen. „Lachgas ist kein harmloser Freizeitspaß, sondern ein ernstzunehmendes Rauschmittel mit gefährlichen Folgen für Körper und Psyche“, warnt Petra Heinen-Dauber, jugendpolitische Sprecherin der CDU-Ratsfraktion. „Wir beobachten mit großer Sorge, dass der Konsum gerade unter Jugendlichen zunimmt – teilweise sogar im Umfeld von Schulen, Spielplätzen oder Freizeiteinrichtungen. Daher war es uns wichtig diesen Antrag in den Rat einzubringen und danken den anderen Fraktionen für ihre Zustimmung.“ Die CDU verweist auf eine steigende Zahl von Missbrauchsfällen auch in Mönchengladbach. Das ursprünglich aus der Medizin und Gastronomie bekannte Gas wird mittlerweile in Form kleiner Kapseln oder Flaschen in Kiosken, Tankstellen und Spätverkaufsstellen frei verkauft – häufig auch an Minderjährige, obwohl die gesundheitlichen Gefahren immens sind. Neben kurzfristigen Wirkungen wie Schwindel, Übelkeit und Bewusstlosigkeit drohen bei regelmäßigem Konsum langfristige Nervenschäden, Lähmungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Andere europäische Länder wie die Niederlande und Großbritannien haben längst reagiert. Es ist höchste Zeit, dass wir auch in Mönchengladbach Maßnahmen ergreifen, um den Zugang für Jugendliche zu erschweren“, so Martin Heinen, sicherheitspolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion. „Wir freuen uns, dass unser Antrag breite Unterstützung im Rat gefunden hat. Jetzt ist die Verwaltung gefordert, eine rechtssichere Lösung zu erarbeiten.“ Der Beschluss sieht vor, dass geprüft wird, ob – nach dem Vorbild der Stadt Dortmund – eine ordnungsbehördliche Verordnung erlassen werden kann, die Verkauf, Abgabe und Weitergabe von Lachgas an Minderjährige im Stadtgebiet untersagt. Ebenso soll geklärt werden, inwiefern Verstöße als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen geahndet werden können. „Die Stadt muss hier vorbeugend tätig werden – zum Schutz der Gesundheit und Entwicklung junger Menschen“, so Petra Heinen-Dauber abschließend. „Es geht nicht um Bevormundung, sondern um Verantwortung.“
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Mit Unverständnis reagiert die CDU-Ratsfraktion auf die ablehnende Haltung von SPD, Grünen und Oberbürgermeister Felix Heinrichs (SPD) zur Unterstützung der Mönchengladbacher Kioskbetreiber. In der Ratssitzung am Montag hatte die CDU beantragt, dass die Verwaltung eine zentrale Informationsveranstaltung für Kioskbesitzer organisiert. Diese wünschen sich nach mehreren Kontrollen zu Sonntagsöffnungen dringend Klarheit und Dialog – doch Verwaltung und Mehrheitskoalition verweigern beides. „Die Stadt könnte helfen, wenn sie nur wollte“, erklärt der CDU-Sprecher im Ausschuss für öffentliche Ordnung, Feuerwehr und Katastrophenschutz, Martin Heinen. „Viele Kioskbetreiber wissenderzeit nicht, was erlaubt ist und was nicht. Sie brauchen klare Informationen, keine Bürokratiehürden – und vor allem ein Signal, dass sie mit ihren Sorgen ernst genommen werden.“ Die CDU hatte den Antrag eingebracht, nachdem sich zahlreiche Kioskbetreiber an ihre Ratsfraktion gewandt hatten. Der Wunsch: Neben einer schriftlichen Information durch die Verwaltung auch eine Präsenzveranstaltung, bei der offene Fragen beantwortet und Sachverhalte geklärt werden können. Doch die Mehrheit im Rat verweigerte dieses Angebot. SPD, Grüne und Die Linke lehnten den Antrag ab – ebenso wie OB Heinrichs. Er verwies lapidar darauf, dass sich jeder Betreiber ja individuell melden könne. „Diese Haltung ist weltfremd und realitätsfern“, kritisiert CDU-Fraktionsvorsitzender Fred Hendricks. „Kioskbetreiber sind kleine Unternehmer, die täglich um ihre Existenz kämpfen. Statt ihnen aktiv unter die Arme zu greifen, zeigt die Stadt ihnen die kalte Schulter. Offenbar haben diese Betriebe bei SPD und Grünen keine Lobby.“ Die Verwaltung verschanzt sich hinter angeblicher Gesetzeslage und verweist auf das Land. Dabei gäbe es durchaus Spielräume für pragmatische Lösungen entlang der rechtlichen Rahmenbedingungen – andere Städte machen es vor. Doch in Mönchengladbach herrscht Stillstand. „Wir erwarten von der Verwaltung keine Rechtsbeugung, aber einen lösungsorientierten Umgang mit einer Branche, die Teil der Nahversorgung in unseren Stadtteilen ist“, so Martin Heinen. „Wenn gewollt wäre, könnte man mit Blick auf das Ladenöffnungsgesetz praktikable Wege finden.“ Die Folgen der Untätigkeit sind fatal: Die betroffenen Kioske verlieren wichtige Sonntagsumsätze – Einnahmen, die stattdessen an Tankstellen, Bahnhöfen oder ins benachbarte Ausland wie die Niederlande fließen, wo Sonntagsöffnungen erlaubt sind. „Wenn wir unsere lokale Nahversorgung erhalten wollen, muss sich die Stadt endlich als Partner der kleinen Betriebe verstehen“, fordert Fred Hendricks. „Dazu gehört ein offener Austausch auf Augenhöhe – nicht Ignoranz und Wegducken.“
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